Falsche Verdächtigungen, falsch informierte Öffentlichkeit

Nach dem vermeintlichen Brandanschlag im vergangenen Januar in einer Teeküche des Kreishauses in Göttingen waren Polizei und Staatsanwaltschaft schnell bei der Hand mit der Vermutung, es müsse sich um eine politisch motivierte Tat von ‚Linksextremen’ handeln. Wer sonst als ‚Linksextremisten’ sollte schon in der Ausländerbehörde zündeln, denn schnell war der Zusammenhang mit der Abschiebepraxis des Landkreises Göttingen hergestellt.

Front? Ist denn Krieg? Nun, geschossen wird nicht. Aber der Sozialabbau speziell für die Menschen, die Arbeitslosengeld II (im Volksmund Hartz IV) beziehen, geht rasant weiter.

Dabei hatten viele nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Februar dieses Jahres gehofft, dass es mehr Geld und Verbesserungen für die Betroffenen geben würde.

1972 Das Arbeitsnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in Kraft. Es geht davon aus, dass Betriebe Leiharbeiter nur bei saison- oder nachfragebedingten Produktionsspitzen anfordern. Die Überlassungsdauer ist auf 3 Monate begrenzt.

1985 Die Überlassungsdauer wird auf 6 Monate verlängert. Es gibt 46.000 LeiharbeiterInnen.

1994 Die Überlassungsdauer wird auf 9 Monate verlängert. Es gibt 146.000 LeiharbeiterInnen.

1997 Die Überlassungsdauer wird auf 12 Monate verlängert und das 'Synchronisationsverbot' wird gelockert.

2002 Die Überlassungsdauer wird auf 24 Monate verlängert. Es gibt 308.000 LeiharbeiterInnen.

2003 Die Überlassungsdauer ist jetzt unbegrenzt. Das Synchronisationsverbot fällt – Leiharbeitsfirmen können ihre Beschäftigten sofort rauswerfen, wenn sie keine Arbeit haben.

2006 Laut DGB verdienen LeiharbeiterInnen 29% weniger als ihre fest angestellten KollegInnen.

2008 Es gibt über 28.000 Leiharbeitsfirmen mit etwa 760.000 Beschäftigten, das sind 2,2% aller Beschäftigten.

 

Es herrscht Land auf, Land ab Einigkeit darüber, dass Leiharbeit Scheiße ist. In der Umgangssprache ist deswegen auch nicht vom 'verleihenden Betrieb' die Rede, sondern vom Sklavenhändler. Dabei müsste Leiharbeit nicht unbedingt etwas Ehrenrühriges sein.

Die Firma Mahr in den Göttinger Leinewiesen gehört zu den Metallbetrieben, die es im Krisenjahr 2009 besonders hart getroffen hat. Der Unternehmensbereich „Messtechnik“ hat vor allem die Automobilindustrie als Kunden. Dort wurde 2009 hart gespart und das haben Firmen wie Mahr bitter zu spüren bekommen – der Umsatz brach um 40% ein, die Aufträge sogar noch mehr. Mahr ging es wie vielen mittelständischen Betrieben: die Banken hatten mit ihrer eigenen Krise genug zu tun und dachten nicht daran auch noch Geld zur Rettung solcher Firmen zu riskieren. Der GBE hat über die harten Zeiten bei Mahr mehrfach berichtet: die KollegInnen mussten auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten und in Kurzarbeit gehen.

Und immer noch wird teilweise kurz gearbeitet.

Die Krise ist vorbei – das hören wir überall in den Medien. Normalerweise unterlegt mit Bildern aus geschäftigen Containerhäfen oder von den Fließbändern der Automobilindustrie. Dass die Krise aber tiefe Spuren hinterlässt, zeigt das Beispiel von Sartorius.

 

Wir sind wieder wer. Modell Deutschland. Wie in den 1970er Jahren: Während andere Länder mit Wirtschaftskrise, steigender Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit kämpfen, ist Deutschland ein Vorbild wirtschaftlicher Stabilität. So lautet die Botschaft von Bild-Zeitung bis Tagesschau. Handelsblatt und Financial Times lesen sich ähnlich. Dort kommen aber auch kritische Stimmen zu Wort, die vor einer Konjunkturabschwächung in den USA, chinesischer Konkurrenz und drohenden Währungs- und Finanzkrisen warnen.

Bei der letzten regulären Personalratswahl im Jahr 2009 hatte ver.di nach sehr langer Zeit den PR-Vorsitz verloren: Eine Koalition aus den 3 weiteren im PR vertretenen Listen wählte mit Frau Hille stattdessen überraschend eine Vertreterin der „Gesundheitsgewerkschaft Niedersachsen“ (GeNi) zur Vorsitzenden. Die GeNi steht dem Beamtenbund nahe und ist in ihrer Ausrichtung schlicht als gewerkschaftsfeindlich zu bezeichnen.