Etwa 5 Millionen Beschäftigte verdienen weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Würde die Bundesregierung den Forderungen nach Ausnahmen vom Mindestlohn nachgeben, gingen bis zu 2 Millionen dieser Niedriglöhner leer aus.

Nach den Plänen der Großen Koalition soll ab 2015 in Deutschland ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn gelten. Allerdings mehren sich Forderungen von Politikern und Arbeitgebern nach Ausnahmeregelungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen. Sollten sich diese Forderungen durchsetzen, würde der Mindestlohn nach einer Analyse des WSI zum "Schweizer Käse": Berechnungen zufolge, die auf Daten des Sozio-ökonomischen Panels beruhen, lag 2012 der Stundenlohn von 5,25 Millionen Beschäftigten unter 8,50 Euro. Von Ausnahmen für Minijobber, Arbeitslose, Rentner, Schüler und Studenten mit einem Arbeitsverhältnis wären 2 Millionen oder 37 Prozent der Geringverdiener betroffen. Ohne Ausnahmen für geringfügig Beschäftigte wäre es immer noch fast ein Viertel. Damit würde der allgemeine Mindestlohn systematisch unterlaufen und ein neuer Niedriglohnsektor geschaffen, warnt Reinhard Bispinck, der Leiter des WSI. Die Ausnahmen würden sich der WSI-Studie zufolge stark auf einige wenige Branchen konzentrieren: Knapp 56 Prozent aller Minijobber und 52 Prozent aller erwerbstätigen Rentner, Schüler und Studenten mit Stundenlöhnen unter 8,50 Euro arbeiten entweder im Gastgewerbe, dem Einzelhandel, den unternehmensnahen Dienstleistungen oder den "sonstigen Dienstleistungen", wie beispielsweise Wäschereien oder dem Friseurgewerbe. In diesen vier Branchen sind von denjenigen, die weniger als den Mindestlohn verdienen, 35 bis 40 Prozent geringfügig beschäftigt. Zwischen 7 und 25 Prozent sind Rentner, Schüler oder Studenten. Die Auswirkungen von gesetzlichen Lohnuntergrenzen seien mittlerweile gut erforscht, so Bispinck. Zahlreiche Studien hätten gezeigt, dass keine negativen Beschäftigungseffekte zu erwarten sind. Dagegen seien die Folgen weitgehender Ausnahmen für den Arbeitsmarkt nicht absehbar. Es bestehe die Gefahr, dass es zu erheblichen Verdrängungs- und Substitutionseffekten kommt, dass Unternehmen also Beschäftigte mit Mindestlohn durch solche ohne Mindestlohn ersetzen. Zudem würde die Ausgrenzung ganzer Arbeitnehmergruppen den eigentlichen Zweck der Regelung unterlaufen, nämlich den Schutz aller abhängig Beschäftigten.

Seit Dezember gibt es in ganz Deutschland wieder einen Manteltarifvertrag für den Einzelhandel – in ganz Deutschland? Nein, denn nur im Bereich Niedersachsen/Bremen stellen sich die Arbeitgeber weiter hartnäckig stur. Wie schon in früheren Tarifrunden versucht der niedersächsische Arbeitgeberverband auch diesmal wieder, Lohndumping-Rekorde zu brechen. Ohnehin ist es einer der längsten Arbeitskämpfe der vergangenen Jahre gewesen, der nach der skandalösen Kündigung aller Entgelt- und Manteltarifverträge (außer in Hamburg) durch den Arbeitgeberverband im Frühjahr 2013 entbrannt war. Aber obwohl die Beschäftigungsstruktur im Einzelhandel stark von unsicheren und prekären Verhältnissen geprägt ist, mit vielen befristeten Verträgen, Teilzeit, 450 - Euro-Jobs oder Werkverträgen: die Entschlossenheit in den bundesweit über 900 kämpfenden Betrieben war groß, und insgesamt beteiligten sich weit über 130.000 KollegInnen. Darunter waren viele neue Belegschaften, es gab oft fantasievolle und „ungewohnte" publikumswirksame Aktionen nicht nur direkt in einzelnen Betrieben, sondern auch draußen in den Innenstädten, Fußgängerzonen, Einkaufszentren usw.: auch in Göttingen sind immer wieder KollegInnen und UnterstützerInnen öffentlichkeitswirksam aktiv.

Es ist schon immer eine besondere Ehre, seinem Arbeitgeber aus finanzieller Misere zu helfen, selbst wenn dies bedeutet, zum Lebenserhalt beim Sozialamt sein Gehalt aufbessern zu müssen.

Auch rund 700 Beschäftigte des Klinikums, wie immer aus unteren Lohngruppen, arbeiten zwar im Interesse und nunmehr auch zur Profitmaximierung bei Göttingens größtem Arbeitgeber, sind aber bei so seltsamen Firmen wie der „UMG Facility" oder „UMG Gastronomie-„ bzw. „UMG Klinikservice GmbH" beschäftigt.

Die Rede ist von den Bedienungen der Cafeteria, dem internen Krankentransport, Beschäftigten der Hauswirtschaft, Reinigung und der Küche, dem Wachdienst und den Lagerungsassistenten im OP. Etwa 15-30% weniger beträgt der Verdienst im Vergleich zu denjenigen, die noch einen Altvertrag mit dem Haus haben. Wir lernen also: Kein Lohn ist so gering, dass man ihn nicht weiter absenken könnte.

Die Weiterbildungsbranche ist im Umbruch – auch in Göttingen und Osterode.

Einrichtungen, die mit Dumpinglöhnen am Markt operieren, gewinnen öffentliche Ausschreibungen auch z.B. vom LK Göttingen oder der Agentur für Arbeit. Einrichtungen, die noch halbwegs akzeptable Löhne zahlen, haben oft das Nachsehen.

Vor diesem Hintergrund ist die angestrebte Ausgründung der Kreisvolkshochschulen (KVHS) und Kreismusikschulen (KMS) der Landkreise Göttingen und Osterode interessant, ebenso wie ihr geplanter Zusammenschluss mit der Volkshochschule Göttingen (e.V.).

Es stellt sich die Frage, ob die Landkreise sich mit dieser Ausgründung ihrer Verantwortung für qualitativ hochwertige Bildungsangebote entledigen und dabei Arbeitsbedingungen verschlechtern; oder ob es Bürgern und Beschäftigten gelingt, hochwertige Angebote und halbwegs akzeptable Arbeitsbedingungen zu verteidigen.