Denn sie wissen nicht was sie tun. In einer Schlüsselszene des Films rasen die beiden Hauptdarsteller auf eine Steilklippe zu. Wer zuerst aussteigt, gilt als Feigling. Tatsächlich bleibt einer der beiden Darsteller am Türgriff seines Wagens hängen und stürzt mit diesem in den Tod. In der Euro-Version des James Dean Klassikers haben die Finanzminister Deutschlands und Griechenlands die Hauptrollen übernommen. Schäuble sieht seinen Gegenspieler in den Abgrund des Staatsbankrotts stürzen, sollte dieser nicht in letzter Sekunde die Spardiktat-beschwerten Rettungsgelder der Troika in Anspruch nehmen. Varoufakis setzt darauf, dass die Euro-Gruppe einen Austritt Griechenlands aus dem Euro und einen davon angestoßenen Dominoeffekt vermeiden will und sich deshalb auf Schuldenschnitt oder Umstrukturierung der Schulden einlässt.

(Außerdem: Zwei Links zu einem programmatischen Varoufakis-Artikel und dem eines linken Syriza-Kritikers)

Die Hoffnung auf ein Ende der Troika-Diktatur und ihrer Sparprogramme hat die Wahlen in Griechenland entschieden. Seit Tsipras und Varoufakis über eine Streichung oder Umschuldung der griechischen Auslandsschulden verhandeln, geht in anderen Hauptstädten der Eurozone die Angst um. Die Regierungen in Dublin, Rom, Madrid und Lissabon, die der Troika weiterhin verpflichtet sind oder deren Politik in vorauseilendem Gehorsam umgesetzt haben, fürchten den Aufstieg linker Anti-Troika-Parteien nach dem Vorbild Syrizas. Quer durch die Eurozone fürchten Regierungsmitglieder, dass Gelder der Troika nicht weiter auf dem Umweg über Athen in die Taschen ausländischer Gläubiger geleitet werden können. Das Troika-Prinzip Sparen in Griechenland und steuerfinanzierter Schuldendienst für den Rest der Eurozone hatte diese seit Ausbruch der Eurokrise vor größeren Vermögensverlusten bewahrt.

Die Börsen sind wieder auf Rekordjagd. Dax und Dow Jones vermelden wieder historische Höchstwerte, von denen zuletzt im Spätsommer 2008 zu hören war. Danach kamen Börsenkrach und Weltwirtschaftskrise. Diese Scharte scheint jetzt ausgewetzt, die Investoren sehen wieder frohen Mutes in die Zukunft und tragen ihr Geld zur Börse. Dazu haben sie auch allen Grund: Infolge der Krise ist die Arbeitslosigkeit weltweit massiv angestiegen und die Verhandlungsmacht der Lohnabhängigen gesunken. Nachdem staatliche Konjunkturpakete den Einbruch der Nachfrage abgebremst hatten und privater Konsum und Investitionen ganz allmählich wieder zulegten, konnte der Markt zu niedrigeren Kosten bedient werden. Unternehmensgewinne und Dividenden schossen in die Höhe. Finanzinvestoren, deren Vermögen dank großzügiger Staatszuwendungen sicher durch die Krise bugsiert wurde, waren sofort zu Stelle, um sich mit Aktien einzudecken.

Unerwartet und ohne Bedingungen hat das Nobelpreiskomitee in Oslo der EU politischen Kredit gegeben. Die Vergabe des Friedensnobelpreises unterscheidet sich deutlich von dem Gebaren, das EU-Troika und Gläubiger den Schuldnerländern der EU gegenüber an den Tag legen. Da werden Kredite verweigert, bis das gesamte Finanzsystem der EU, und damit auch die ausstehenden Forderungen der Gläubiger, am Rande des Abgrunds stehen. Last Minute Kredite werden ausschließlich zur Bedienung solcher Forderungen vergeben. Sie werden zudem mit Steuergeldern der Gläubigerländer abgesichert und an Sparauflagen gebunden, die die Wirtschaft in den Schuldnerländern weiter in den Graben fahren und dadurch deren Schuldenlast weiter vergrößert. Am Ende ist die EU überall diskreditiert. In den Schuldnerländern gilt sie, zusammen mit den Regierungen der Gläubigerstaaten, als Ursache von eskalierender Arbeitslosigkeit und Armut, während sie in den Gläubigerstaaten als eine Umverteilungsmaschine erscheint, die mit hart verdienten Einkommen das ausschweifende Leben in den Krisenländern unterstützt. In Gläubiger- und Schuldnerländern gilt: Wenn „die oben“ von Europa reden, wissen „die unten“, dass es ihnen ans Leder geht. Euroskepsis wird zu offener Ablehnung, die Nation gilt als letzte Zuflucht vor der Macht der anonymen Hände von Finanzmärkten und Eurokraten. Ganz am Ende gehen die unten im Namen der Nation wieder aufeinander los, während die oben grenzenlose Kriegsgewinne einstreichen.

1989: Wir sind das Volk

2012: Wir sind Europa?

Von der Krise des Sowjetkommunismus zur Krise des neoliberalen Kapitalismus

„Wir sind das Volk“ – mit dieser Parole trieben die ostdeutschen Montagsdemonstranten im Herbst 1989 eine völlig verknöcherte Staats- und Parteiführung zur Aufgabe. Die Hoffnungen der Demonstranten auf eine demokratische Erneuerung der DDR erfüllten sich allerdings nicht. Schon im Frühjahr 1990 hieß es „Wir sind ein Volk“; im Sommer folgte die deutsch-deutsche Währungsunion und im Herbst der Beitritt zur Bundesrepublik. Nach deutscher Einheit und dem Zusammenbruch des Sowjetkommunismus in Osteuropa waren die Weichen für Privateigentum und Profit, Europäische Währungsunion und EU-Osterweiterung gestellt. Zwanzig Jahre später legt eine von den USA ausgehende Weltwirtschaftskrise die massiven Ungleichgewichte offen, die sich in der Zwischenzeit innerhalb der EU aufgestaut haben.