170213 Kreishaus 3 klein

Die sicheren Arbeitsplätze der Kreismusikschule sind zum Abschuss freigegeben

Obwohl SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen der Kreismusikschule im Kreishaus eine eindrucksvolle Darbietung ihrer Künste erbrachten, war die darauf folgende Sitzung des Kreiskulturausschusses ernüchternd:

Denn trotz des großen Andrangs von interessierten ZuschauerInnen folgten die Ausschussmitglieder Landrat Reuter und stimmten für die Verwaltungsvorlage, welche explizit die sicheren TVöD-Arbeitsplätze der Kreismusikschule als zu kostenträchtig brandmarkt und faktisch zum Abschuss freigibt (inkl. „betriebsbedingter Kündigungen“ als einem möglichen Szenario).

Kreisrat Riethig und Insolvenzverwalter Staufenbiel: Good Cop/Bad Cop?

Der Kreistrat und KVHS-Aufsichtsratsvorsitzende Marcel Riehtig hatte zuvor etwas (vergifteten) Zuckerguss über die Vorlage gegossen, in dem er sich nicht nur für die Absicherung des Musikschulangebots in der Fläche aussprach, sondern auch erklärte, er würde ja persönlich eine "Kooperation mit der VHS favorisieren". Genau solch eine Kooperation wird aber in der dann beschlossenen Verwaltungsvorlage für "gescheitert" erklärt, was den Anwesenden vielleicht nicht weiter auffiel. Auch gab Riethig zu erfüllende wirtschaftliche Kennzahlen an (z.B. 60% Deckungsgrad), die angeblich im Durchschnitt erreicht würden - und somit auch in Göttingen erreicht werden müssten. Das ist schlicht falsch, wie auf der Internetseite des Verbandes der Musikschulen mühelos recherchiert werden kann. Trotzdem beschloss der Kreisausschuss (und später der Kreistag) genau diese Vorgaben...

Der fragwürdige Insolvenzverwalter Staufenbiel schwafelte dann konfus und nichtssagend über die desolate Lage der Kreismusikschule und bat die Ausschussmitglieder, „keine Vorfestlegung“ im Prüfauftrag zu verankern. D.h. ihn genau so zu belassen, wie er ihn wohl maßgeblich selber formuliert hatte, mit dem Ziel einen privaten Kooperationspartner zu suchen...

Diesem Wunsch des Insolvenzverwalters folgte die Ausschussmehrheit bestehend aus SPD, Grünen, Freien Wählern und CDU -und nahm so wieder einen großen Schritt in Richtung entgültiger Privatisierung der Kreismusikschule (bei einer Gegenstimme des Vertreters der bunten Truppe aus Linken, Piraten, Partei+).

Dieser Durchmarsch der Verwaltung gelang, obwohl die Betriebsratsvorsitzende der KVHS vorher eindringlich im Namen der Beschäftigten um ein Bekenntnis der Ausschussmitglieder nicht nur zur Einrichtung und ihrem Angebot bat, sondern auch zu den sicheren Arbeitsverhältnissen. Und obwohl der Vertreter der bunten Truppe dafür warb, zunächst prüfen zu lassen, zu welchen Konditionen eine naheliegende Kooperation mit der VHS möglich sei. Und obwohl die ebenfalls von der Betriebsratsvorsitzenden formulierte Kritik an dem ineffizienten und teuren Wasserkopf explitzit vom Ausschussmitglied Jacobi (CDU) geteilt wurde, die auch darauf hinwies, dass insbesondere der Aufsichtsratsvorsitzende Marcel Riehtig Verantwortung für die über Jahre entstandene Misere trage.

SPD-Chef Dierkes gegen sichere Arbeitsplätze

Das nun ein erklärter Neoliberaler, wie der Insolvenzverwalter Staufenbiel, immer privat-wirtschaftlich geführte Betriebe gegenüber staatlichen Einrichtungen bevorzugt, überrascht nicht. Ebenso wenig, dass Staufenbiel abgesicherte und halbwegs anständig bezahlte Beschäftigungsverhältnisse für "zu teuer" hält, wenn das Angebot auch mit prekären Honorakräften organisiert werden kann.

Was dagegen überrascht, ist dass nun ausgerechnet Sozialdemokraten und Grüne sich mitten in Wahlkampfzeiten zu Vollstreckern einer Privatisierungs-Strategie machen: Insbesonders der SPD-Fraktionsvorsitzende Reinhard Dierkes verblüfte diesbezüglich mit der sehr klaren Aussage, dass er sich schlicht nicht vorstellen könne, dass eine Kreismusikschule „komplett auf TVöD-Niveau“ zu halten sei. Solch erfrischender Klartext beeindruckt, da Dierkes selbst verbeamteter Lehrer war, und somit selber immer die tarifvertraglichen Leistungen des öffentlichen Dienstes plus Besserstellungen in der Alters- und Krankenversorgung steuerfinanziert genossen hat ... 

Es bleibt also spannend ... 

Nun sind wir gespannt, wie die anderen Kreistagsmitglieder sich positionieren. Und ob die Verwaltung mit dem durchsichtigen Manöver Erfolg hat, einen „Sachverständigen“ die Drecksarbeit machen zu lassen. Denn so steht es ja in der Verwaltungsvorlage: 30.000 Euro soll die Kanzlei Renneberg+Partner bekommen, damit diese erklärt,  dass kein Weg an der Privatisierung und dem Abbau der TVöD-Arbeitsplätze vorbei führt. 

Ups, das ist natürlich eine böswillige Unterstellung. Der Prüfauftrag ist selbstverständlich ergebnisoffen ....

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Aktualisierung 23. Februar:

Im Ursprungsbeitrag vom 13. Februar war fälschlich erklärt worden, Lutz Renneberg aus Bovenden solle den Prüfauftrag erhalten. Hierfür möchten wir uns entschuldigen, es ist die Kanzlei Renneberg +  Partner aus Kl. Lengden.

Der Kreitag hat am 22. Februar eine geänderte und verschlimmerte Vorlage von SPD-Grünen-Freien Wählern und CDU mit großer Mehrheit zugestimmt, die im Wesentlichen den Weg frei macht, die sicheren TVöD Arbeitsplätze abzubauen und durch präkarisierte Honorarkräfte zu ersetzen. Die Beschäftigten und viele Eltern und SchülerInnen wollen aber weiter nicht nur für einen Erhalt des Angebots in der Fläche streiten, sondern auch für einen Erhalt der sicheren Arbeitsplätze. Wir werden weiter berichten.

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Hier ein Link zu unserem Artikel vom 26. Januar  mit weiterführenden Links u.a. zu einem älteren Brief der Eltern aus 2015 sowie weiteren Artikeln aus 2014 zur Ausgründung.

... und hier nochmal die ver.di Presseerklärung vom 4. Februar inkl. eines Links zur Verwaltungsvorlage und dem Änderungsantrag der bunten Truppe.