Seit Dezember gibt es in ganz Deutschland wieder einen Manteltarifvertrag für den Einzelhandel – in ganz Deutschland? Nein, denn nur im Bereich Niedersachsen/Bremen stellen sich die Arbeitgeber weiter hartnäckig stur. Wie schon in früheren Tarifrunden versucht der niedersächsische Arbeitgeberverband auch diesmal wieder, Lohndumping-Rekorde zu brechen. Ohnehin ist es einer der längsten Arbeitskämpfe der vergangenen Jahre gewesen, der nach der skandalösen Kündigung aller Entgelt- und Manteltarifverträge (außer in Hamburg) durch den Arbeitgeberverband im Frühjahr 2013 entbrannt war. Aber obwohl die Beschäftigungsstruktur im Einzelhandel stark von unsicheren und prekären Verhältnissen geprägt ist, mit vielen befristeten Verträgen, Teilzeit, 450 - Euro-Jobs oder Werkverträgen: die Entschlossenheit in den bundesweit über 900 kämpfenden Betrieben war groß, und insgesamt beteiligten sich weit über 130.000 KollegInnen. Darunter waren viele neue Belegschaften, es gab oft fantasievolle und „ungewohnte" publikumswirksame Aktionen nicht nur direkt in einzelnen Betrieben, sondern auch draußen in den Innenstädten, Fußgängerzonen, Einkaufszentren usw.: auch in Göttingen sind immer wieder KollegInnen und UnterstützerInnen öffentlichkeitswirksam aktiv.

MIT DEM WEIHNACHTSGESCHÄFT KAM DER DURCHBRUCH

AcrF1-1Dennoch brachte erst mit nahendem Weihnachtsgeschäft die Drohung, auch dann weiter zu streiken, wirklich Bewegung ins Spiel. Mit dem Abschluss in Baden-Württemberg war Anfang Dezember der Durchbruch geschafft, und in den folgenden Wochen schlossen sich bis auf Niedersachsen/Bremen bundesweit alle Tarifregionen an. Zentraler Erfolg dabei: Der Manteltarifvertrag tritt unverändert wieder in Kraft! Der Generalangriff auf Löhne und Arbeitsbedingungen in einer der größten Branchen ist damit abgewehrt. Daneben wurden folgende Lohn- und Gehaltserhöhungen vereinbart, rückwirkend zum 1. April 2013 und mit einer Laufzeit von 24 Monaten:

  • Erhöhung um 3 % ab 2013 und um weitere 2,1 % ab 2014.
  • Überproportionale Erhöhung der Ausbildungsvergütungen für Auszubildende ab 1. August 2014: im ersten Ausbildungsjahr auf 720 Euro, im zweiten Jahr auf 800 Euro sowie im dritten auf 920 Euro.
  • 36 Tage Urlaub, Weihnachts- und Urlaubsgeld.
  • Wiedereingliederung von zuvor oft per Werkvertrag Beschäftigten für Warenverräum- und Regal-Auffülltätigkeiten durch Einführung einer neuen Lohngruppe von knapp unter zehn Euro.

Die Rückgliederung der Warenverräumung in den Tarifvertrag setzt ein deutliches Zeichen gegen branchenübergreifend zunehmende Werkverträge. Einen Nachteil hat diese neue Lohngruppe leider dennoch im Schlepptau: sie ist um ca. einen Euro niedriger als die bisherige unterste Lohngruppe in der Warenverräumung. Dies weckt womöglich bei den Arbeitgebern Begehrlichkeiten, gleiches auch für weitere Tätigkeiten anzupeilen. Zumal sie im Rahmen der für 2014 ebenfalls verbindlich vereinbarten „Weiterentwicklung der Tarifverträge" ohnehin eine „Reform" des Entgeltsystems anstreben, die nach ihren Vorstellungen eine Abgruppierung diverser Beschäftigtengruppen beinhalten soll. Da heißt es also weiter aufgepasst!