Wenn unser eigentliches Problem in dieser Auseinandersetzung unsere noch nicht ausreichende Stärke war,  dann ist die einzig sinnvolle Schlussfolgerung:  Wir bauen die notwendige Stärke auf, um beim nächsten Anlauf zu gewinnen!

Im Folgenden wird eine kurze Bewertung der „Tarifeinigung SuE“ vom 30. September 2015 durch Streikaktive und Unterstützerinnen dokumentiert und ein Vorschlag skizziert, wie mit dem vorläufigen Ende der Aufwertungskampagne im Sozial- und Erziehungsdienst umgegangen werden könnte. Übergeordnetes Ziel ist es, die positiven Erfahrungen, die in dieser Auseinandersetzung gemacht wurden, zu bewahren, um sie als Ressource für den nächsten und dann hoffentlich zwingenden Anlauf zu nutzen.

RabatzFotoDas Hauptaugenmerk liegt auf der Frage, wie aus Fehlern gelernt werden kann, um stärker zu werden und im 3. Anlauf zur Aufwertung tatsächlich zu gewinnen. Denn unstrittig scheint: In der historischen Auseinandersetzung um eine Aufwertung von „Frauen“-Berufen hat es diesmal noch nicht gereicht. Unabhängig von aller berechtigten und notwendigen (Selbst-)Kritik an der Streikführung fehlte die gesellschaftliche Macht, um die notwendige Aufwertung zu erzwingen. Deswegen wird geschlussfolgert, dass für den notwendigen nächsten Anlauf systematisch die eigene Stärke ausgebauet werden muss!

 

Bewertung der neuen „Tarifeinigung“

Nachdem die Gewerkschaftsmitglieder mit beeindruckenden 70% den Schlichterspruch vom Sommer zurück gewiesen hatten -und damit den Arbeitskampf zunächst offen hielten- scheint jetzt ein vorläufiges Ende absehbar. In den Nachverhandlungen hat ver.di eine andere Verteilung des Entgeltzuwachses erreicht, welche wohl weithin als „gerechter“ angesehen wird als der ursprüngliche Schlichterspruch. Der ursprüngliche Vorschlag bevorteilte stellvertretende Kitaleitungen überproportional, die Masse der Teilzeit-Erzieherinnen sollte mit 30 Euro Plus abgespeist werden und für viele Sozialarbeiterinnen waren gar keine Verbesserungen vorgesehen.

Insgesamt wurde das Volumen auch in den Nachverhandlungen allerdings kaum erhöht, die als Knebelung wahrgenommene lange Laufzeit von 5 Jahren bleibt bestehen und selbst bei der Anerkennung der Vorbeschäftigungszeiten konnte keine Verbesserung erzielt werden. Insgesamt bleibt das Ergebnis somit ernüchternd und weit hinter den Erwartungen von Streikaktiven zurück. Trotzdem scheint die Stimmung unter den KollegInnen jetzt auf eine Annahme der Tarifeinigung in der Ur-Abstimmung hinaus zu laufen, wohl auch, weil zumindest kurzfristig keine Strategie in Sicht ist, wie durch eine Fortführung des Arbeitskampfes ein besseres Ergebnis zu erzielen wäre.

Der Blick zurück:

Auch wenn eine ausführliche Auswertung dieser Streikbewegung noch aussteht und hier aus Platzgründen nicht geleistet werden kann, möchten wir kurz festhalten, was aus unserer Sicht zumindest im Nachhinein an der Streikführung problematisch erscheint:

  • Diese historische Auseinandersetzung wurde mit relativ wenigen Streik-Betrieben geführt: Zum einen sind nur ca. 1/3 der Kindertagesstätten Tarifgebunden im TVöD SuE - und noch weniger Einrichtungen der Sozialarbeit. Zum anderen sind selbst in diesen öffentlichen Einrichtungen nicht alle Beschäftigten -und noch nicht mal alle Gewerkschaftsmitglieder-  streikfähig! Unser Fazit: Für einen nächsten Anlauf bedarf es eines besseren Basisaufbaus und zwingend der Einbindung auch der frei-gemeinnützigen Einrichtungen in die Auseinandersetzung.
  • Wir brauchen auch eine bessere und gemeinsam von den Streikbetrieben entwickelte Eskalationsstrategie, um mangels ökonomischen Druckpotentials den öffentlich-politischen Druck auf die Arbeitgeber zu maximieren. In dieser Runde haben wir zwar unglaubliche Energie und Kreativität entwickelt, trotzdem hat es noch nicht gereicht, um die öffentlichen Arbeitgeber ernsthaft zu bewegen.  Auch deshalb scheint uns …
  • zumindest rückblickend unsere Kommunikationsstrategie gegenüber den Eltern und der breiteren Öffentlichkeit ungenügend, ebenso wie unsere Handlungsfähigkeit über die engen Grenzen des ver.di FB Gemeinden hinaus.

Trotz dieser notwendigen (Selbst-)Kritik muss aber ebenso festgehalten werden, dass wir das unglaubliche Engagement der Streikaktiven und unser Unterstützerinnen nicht vergessen dürfen, ebenso wenig wie die Kreativität und die Energie, mit der vier Wochen lang gekämpft wurde! Zudem wurde mit den Streikvollversammlungen und Delegiertenkonferenzen der Arbeitskampf in einer bislang einmaligen Weise demokratisiert (zumindest für eine Flächenauseinandersetzung), bis hin zur Zurückweisung des erniedrigenden Schlichterspruchs. Dies sind unzweifelhaft Erfolge, die nicht vergessen werden dürfen, die verteidigt werden müssen und auf denen aufgebaut werden kann!

Das Dilemma, in welches die Streikbewegung geraten war…

Wir sind mit dem Kampf in das Dilemma geraten, weder den Schlichterspruch annehmen zu können –er war schlicht unwürdig-  noch mit Aussicht auf Erfolg Weiterstreiken zu können. Denn trotz geheucheltem Verständnis durch Medien und Politik, sahen sich die öffentlichen Arbeitgeber nicht genügend Druck ausgesetzt, um tatsächlich einen Schritt auf uns zu gehen zu müssen. Wir meinen, dass ein „einfach Weiterstreiken“ uns auch in keine bessere Verhandlungsposition gebracht hätte, vor dem Hintergrund der schwierigen Eingewöhnungszeit in den KiTas, dem Schlichterspruch und seiner Auswirkung auf die veröffentlichte Meinung, der Unmöglichkeit kurzfristig frei-gemeinnützige Einrichtungen mit einzubeziehen etc.

Deshalb ist die Frage, ob wir die Schlichtung auch hätten vermeiden können zwar wichtig für zukünftige Auseinandersetzungen, für den Verlauf dieser aber nicht entscheidend: Auch ein Weiterstreiken im Sommer hätte uns in keine bessere Position mehr gebracht, da die öffentlichen Arbeitgeber keinen ökonomischen Druck verspürten, sondern im Gegenteil Geld sparten und mit öffentlich geheucheltem Verständnis ihre knallharte Position am Verhandlungstisch verdecken konnten.

Im Frühjahr steht zudem die „normale“ TVöD Runde zum Entgelt und zur Alterssicherung auf der Tagesordnung, mit der wir unseren Kampf um Aufwertung der Frauenberufe nur sehr schwer hätten verknüpfen können! Denn wir sind überzeugt, dass die Aberbeitgeber alles getan hätten, um uns zu spalten und gegeneinander abeuszuspielen, indem sie z. B. anderen kommunalen Beschäftigten vermittelt hätten, sie müssten für ErzieherInnen verzichten etc. Vor diesem Hintergrund erschien auch ein „Offenlassen“ der Entgeltordnung keine sinnvolle Option….

Der Blick nach Vorne:

Der Kampf geht weiter – systematisch, geplant, jetzt erst recht!

Wir schlagen vor, die nächsten Jahre dafür zu nutzen, systematisch unsere Branche zu organisieren! Dafür verschaffen wir uns einen Überblick über die frei-gemeinnützigen Einrichtungen vor Ort (AWO, DRK, Vereine, Studentenwerke, Jugendhilfen, Behindertenwerkstätten etc.) und gehen diese dann eine nach der anderen an:  D.h. wir Streikaktive gehen in die Betriebe und unterstützen die Belegschaften bei ihrer gewerkschaftlichen Organisierung! Das ist realistisch, denn aus vielen Gesprächen wissen wir, dass die allermeisten KollegInnen unser Ziel der Aufwertung teilen und nur Unterstützung benötigen, die weitverbreiteten Ängste und Unsicherheiten zu überwinden. Dabei können wir sie unterstützen!

Mittelfristiges Ziel muss sein, die frei-gemeinnützigen Einrichtungen in die Tarifbindung/Anwendung des TVöD SuE zu zwingen.

Denn dann könnten wir bei einem notwendigen 3. Anlauf zur Aufwertung der SuE-Berufe gemeinsam mit diesen KollegInnen den Kampf führen und u.a. nicht 1/3, sondern realistisch 2/3 der Einrichtungen schließen. Dies ist in aller Kürze unser Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise.

Denn wenn unser eigentliches Problem in dieser Auseinandersetzung unsere noch nicht ausreichende Stärke war, dann ist tatsächlich die einzig sinnvolle Konsequenz: Wir bauen unsere Stärke auf!