Von abhängig Beschäftigten wird Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Kompetenz, Flexibilität und vieles mehr verlangt. Im sogenannten Dienstleistungssektor soll insbesondere Frau auch noch dauernd freundlich grinsen und jede/n nach dem persönlichen Befinden fragen. Das ist ja wohl das Mindeste, was man (in diesem Falle das Unternehmen) von seinen Mitarbeiterinnen verlangen kann. Ach ja, wirklich?

Besonders Frauen in Dienstleistungsjobs wie Friseurin oder Verkäuferin sind von kriminell niedrigen Löhnen betroffen. Frauen, die zu den unmöglichsten Zeiten arbeiten, kaum in die Rentenkasse einzahlen und deren Altersarmut somit vorprogrammiert ist. Frauen, die täglich acht Stunden (oder auch mehr) arbeiten und trotzdem noch auf staatliche Beihilfe angewiesen sind. Frauen, die gute Arbeit leisten und auf deren Dienst kaum jemand von uns, jedoch erst recht nicht die Unternehmen, verzichten wollen.
Allerdings sind es nicht nur Frauen, die von Niedriglöhnen betroffen sind. Auch Männer in Leiharbeitsjobs und Jobs mit geringer Qualifikation erhalten für ihre oft körperlich schwere Arbeit viel zu wenig Geld.
Wenn die Unternehmen berechtigt sind, das ‚Mindeste’ von ihren MitarbeiterInnen zu verlangen, dann steht denen das doch wohl auch zu.

Mindestlöhne contra Lohnuntergrenze

Wir brauchen Mindestlöhne und zwar nicht die weichgespülten Varianten, die gerne in der Diskussion sind oder umgesetzt werden, sondern solche, die rechtlich bindend für alle Menschen gelten; die zum Leben und zur Teilhabe auch an kulturellem Leben reichen; die einen gesicherten Ruhestand ermöglichen und die Sozialkassen füllen.
Weshalb sträuben sich Politik und Wirtschaft derart gegen Mindestlöhne? Es ist eine Mischung aus Ideologie (nicht planen, der Markt und der Wettbewerb sollen es richten) und erwünschter Gewinnoptimierung und -maximierung, die eindeutig besser durch Niedriglöhne, Leiharbeit, Werkverträge zu erreichen sind.
Jahrelang wurde der wirtschaftliche Totalausfall bei Einführung eines Mindestlohnes als Teufel an die Wand gemalt. Inzwischen hoffen die meisten politischen Parteien wohl durch Einführung einer ‚Lohnuntergrenze’ .in der WählerInnengunst zu steigen. Der Unterschied allerdings zum erforderlichen Mindestlohn ist überdeutlich. Es gibt nämlich in der Vorstellung von Merkel und Konsorten keine ‚Lohnuntergrenze’ für alle abhängig Beschäftigten, sondern verschiedene branchenabhängige oder auch regional verschiedene Untergrenzen. Z. B. ‚verdient’ die Friseurin im Osten des Landes weiterhin nur 4,57 €.

Die Lohnentwicklung insgesamt…

Die Situation, dass viele zu niedrige Löhne bekommen, Frauen durch die Gehaltsunterschiede bei gleicher Arbeit doppelt benachteiligt sind, immer weniger Vollzeitstellen eingerichtet werden, und die Unternehmen zunehmend in Leiharbeit und Werkverträge investieren, trägt denn auch mit bei zu Wirtschaftswachstum, Exportrekorden etc. In der Lohnentwicklung schlägt es sich aber nicht nieder, denn bei den Tarifverhandlungen der letzten Jahre hat es keine großen Erfolge für die Beschäftigten gegeben.
Für die ArbeiterInnen war das vergangene Jahrzehnt in Bezug auf die Lohnentwicklung wenig erfreulich. Die Reallöhne sind in dieser Zeit acht Mal gefallen!

…hält viele im Armutsbereich

Der Anteil der Beschäftigten, die zusätzlich zu ihrem Lohn Sozialleistungen beziehen (Wohngeld oder ergänzendes Arbeitslosengeld II, im Volksmund Hartz IV) hat weiter zugenommen. Sieben Prozent aller Beschäftigten bleiben trotz sozialversicherungspflichtiger Arbeit in der Armut stecken. Also sind ca. 3 Millionen Erwerbstätige plus deren Angehörige (zusammen ca. 5,2 Millionen Menschen) arm, obwohl sie wenigstens Minijobs bzw. die Mehrheit sogar Vollzeitarbeitsplätze haben. Trotz Wirtschaftswachstum bekommen ca. 20 % der ArbeiterInnen einen Niedriglohn. Den Menschen, die dieses Wachstum erwirtschaften, wird die Teilhabe daran weiter verweigert.
Z.B. der DGB fordert einen Mindestlohn von 8,50 Euro, die LINKE und Erwerbsloseninitiativen einen Mindestlohn von 10,00 Euro für alle Beschäftigten, die nicht durch bessere Tarifverträge abgesichert sind.

Durch die Nebelkerze ‚Lohnuntergrenze’ ist es der Bundesregierung vorerst gelungen, den Forderungen die Schärfe zu nehmen. Gerade Menschen, die im Niedriglohnbereich beschäftigt sind, sind oftmals nicht gewerkschaftlich organisiert. Dabei wäre ein hoher Organisationsgrad ein adäquates Mittel, die gerechtfertigten Forderungen nach Mindestlöhnen durchzusetzen. Das Organizing durch die Gewerkschaften ist ein Schritt in diese Richtung. Breite Bündnisse aus Gewerkschaften und anderen außerparlamentarischen Organisationen sind notwendig, um die Situation spürbar zu verändern. Vor allem, weil die Leiharbeit zunehmend ausgeweitet und mit dem Instrument der Werkverträge ein weiteres Mittel gefunden wurde, um die Menschen so schlecht wie möglich zu bezahlen und ihre Arbeitsplätze zu befristen und unsicher zu halten.