Wir erinnern uns: vor vielen Jahren beginnend und bis vor kurzem behauptete das nicht nur Norbert Blüm, damaliger (1982 bis 1998) Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Brustton der Überzeugung. Bei Wikipedia finden wir zwar den Hinweis, dass Norbert Blüm auch als Kabarettist auftritt; aber das hat er schon ernst gemeint. Nun gab es auch damals schon Grund daran zu zweifeln. Aber nach etlichen Krisen und geplatzten Blasen (Finanzblasen, Internetblase), kontinuierlich hoher Erwerbslosigkeit und steigender Altersarmut wird inzwischen verstärkt diskutiert, was zu tun ist, um die Rentenzahlungen sicher zu stellen.


DIE SITUATION
Die Höhe der Renten sinkt mehr und mehr durch Zeiten der Arbeitslosigkeit (wobei beim Arbeitslosengeld II seit 2 Jahren überhaupt nichts mehr in die Rentenversicherung eingezahlt wird); durch Leiharbeit mit schlechterer Bezahlung; durch enormen Zuwachs der Arbeitsverhältnisse mit Niedriglöhnen; durch Zunahme von Teilzeitbeschäftigung und versicherungsfreien Erwerbsformen (Selbstständigkeit und oft auch Scheinselbstständigkeit). Dramatisch steigt dadurch das Risiko der Altersarmut an. Bereits heute haben ca. 2 Millionen Ältere in Deutschland ein Einkommen unterhalb der EU-Armutsrisikogrenze. Es wird damit gerechnet, dass ca. im Jahre 2030 die Hälfte aller SeniorInnen mit einer Rente rechnen muss, die kaum höher ist als die Grundsicherung (Sozialhilfe, derzeit bei 688 Euro im Monat). Von politischer Seite wird fast immer vor allem ein weiterer Faktor, nämlich der der demographischen Veränderung als Schuldiger ausgemacht. Ja, immer mehr Menschen werden immer älter und immer weniger Menschen finanzieren die steigende Zahl der RentnerInnen. Aber das ist nur ein Faktor von vielen und er wird von der zunehmenden Produktivität relativiert.
Die Fehler und Probleme sind eher zahlreiche andere. Eben, dass sich gegen Mindestlöhne in vernünftiger Höhe gewehrt wird und die soziale Versorgung der Armen und der Erwerbslosen unzureichend gehalten wird. Auch fast alle anderen sozialen Leistungen werden gekürzt und zusammengestrichen. Das Rentenniveau wird von 53 Prozent über 50 Prozent (zur Zeit) auf 43 Prozent zusammengekürzt. Löhne und Gehälter werden selten bis gar nicht erhöht, die Preise hingegen (vor allem für Energie und Benzin) steigen. Hier gäbe es noch eine Menge aufzuzählen, belassen wir es dabei.
Nun ist die zunehmende Altersarmut nicht mehr wirklich weg zu diskutieren. Also beginnen Bundesregierung (Frau von der Leyen aus dem Bundesarbeitsministerium) und die SPD, neue Modelle für die Rente zu entwickeln. Frau von der Leyen begann die Debatte durchaus gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen mit einer „Schocktabelle“ zur Altersarmut.

ZUSCHUSSRENTE, SOLIDARRENTE USW.
Sie entwirft das Konzept einer Zuschussrente. Herr Gabriel (hierbei federführend für die SPD) nennt sein Modell lieber Solidarrente.
Nun gibt es in manchen (aber leider nicht in den wirklich wichtigen) Details einige Unterschiede, aber entscheidend ist, dass beide Modelle wichtige falsche Entwicklungen fortführen wollen:  

· es soll beim Rentenbeginn mit 67 Jahren bleiben;

· die Senkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent wird beibehalten;

· 40 Versicherungsjahre und davon 30 Beitragsjahre werden ebenfalls beibehalten;

Beim Konzept von Frau von der Leyen muss ab 2014 zusätzlich noch „geriestert“ werden (also eine private Riesterrente oder Rüruprente o. Ä.) abgeschlossen werden und die Versicherungs- und Beitragsjahre sollen mit der Zeit noch ansteigen; auch bei der Solidarrente soll eine betriebliche kapitalgedeckte Ansparung durch Lohnumwandlung geschehen. Darüber wird sich vor allem die Versicherungswirtschaft freuen, wie schon bei der Riesterrente. Genauso wie bei dieser wird aber die private Vorsorge später angerechnet, wenn es doch nicht reicht und die Grundsicherung im Alter dazu kommen muss.

Außerdem verschmelzen bei beiden Modellen das beitragsfinanzierte Rentenmodell mit dem eher fürsorglichen Ausgleichsmodell.
Man fasst sich an den Kopf und fragt sich: ist im Bundesarbeitsministerium (und auch bei der SPD) noch nicht angekommen, dass die Durchschnittsverdienenden 39 Beitragsjahre bräuchten (bei auf 43 Prozent abgesenktem Rentenniveau), um auf ca. 850 Euro Rente zu kommen? Und vor allem, wer schafft das heute denn noch? Die nächste Frage ist: Wovon sollen die privaten Zusatzversicherungen bezahlt werden? Vor allem von Erwerbslosen, Niedriglohnjobbern usw. All denen also, die es am Nötigsten bräuchten und das Geld für die Beiträge nicht haben werden.
Heute liegt das Rentenniveau noch bei 5 rund 50 Prozent. Darauf basieren diese Modelle. Aber alle Beteiligten wollen ja die Absenkung. Dadurch sabotieren sie quasi ihre eigenen Berechnungen. Was beide angeblich wollen, nämlich weg von der zunehmenden Ergänzung der Renten durch die Grundsicherung im Alter, wird so nicht funktionieren bzw. eher ins Gegenteil umschlagen. Übrigens sollen diese Konzepte erst bei neuen Zugangsrenten (Juli 2013 bzw. bei der SPD ab 2014) gelten. Und was geschieht mit den anderen?
Die Grünen haben ein Konzept für eine steuerfinanzierte Mindestrente, die sie Garantierente nennen. Viele Ansatzpunkte sind in Ordnung (wie Wiedereinbezug der Zahlungen bei Arbeitslosigkeit im ALG II, Zahlungen auch von Pensionären und Selbstständigen, Verbesserung vieler Rahmenbedingungen usw.), aber andererseits soll es bei der Absenkung auf 43 Prozent bleiben und es soll wieder etliches geprüft und verrechnet werden und auch hier wird die Eigenvorsorge betont, so dass befürchtet werden kann, dass dieses Konzept in der Halbherzigkeit stecken bleibt. Es ist erstaunlich wenig in der öffentlichen Diskussion präsent.
Die solidarische Mindestrente wird von der Linkspartei empfohlen. Es wurden letztes Jahr 900 Euro als Mindestrente gefordert. Auch Beamte, Freiberufler, Pensionäre und Abgeordnete sollen einzahlen. Neuerdings hört mensch die Zahl 900 aber nicht mehr wirklich. Auf dem letzten Parteitag in Göttingen im Juni 2012 forderten die Delegierten 1.150 Euro, aber bei der kürzlich erfolgten Vorstellung des Modelles fehlt eine konkrete Zahl. Zwar sollen solche kritisierten Vorhaben zurückgenommen werden wie das Rentenalter erst mit 67, die Senkung des Rentenniveaus und die Nichtzahlung von Beiträgen bei Arbeitslosigkeit, aber das Berechnungsmodell soll wohl im Großen und Ganzen so beibehalten werden. Ob dann der sicher richtige Anspruch: “Wir wollen eine Rente, die im Alter den einmal erreichten Lebensstandard sichert und ein Leben frei von Armut gewährleistet“, erreicht werden kann, da muss mensch Zweifel haben. Die IG Metall hat ein eigenes Konzept: Flexible Übergänge statt der starren Einheits-Rente mit 67. Mit unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten für unterschiedliche Menschen und Arbeitsbedingungen: erleichterte Rentenzugänge für Erwerbsgeminderte. Und eine öffentlich geförderte Altersteilzeit. Wer über 40 Jahre gearbeitet hat und über 60 Jahre alt ist, soll ohne Abschlag gehen können. Und die gesetzliche Rente muss wieder einen deutlich höheren Beitrag nicht nur zur Armutsvermeidung leisten - sondern auch zur Lebensstandardsicherung.
Zur Finanzierung sollen schrittweise alle Erwerbstätigen, auch die Selbständigen, in die gesetzliche Rentenversicherung integriert werden. Zudem soll der ohnehin geplante Anstieg der Beitragssätze langsam und stetig erfolgen, um eine Reserve aufzubauen. Parallel will die IG Metall die Arbeitsbedingungen verbessern.

WAS IST RENTE BZW. WAS SOLLTE SIE SEIN?
Menschen, die ihr Leben lang bzw. wesentliche Teile desselben gearbeitet haben, sollten sich im Alter davon nicht nur ausruhen, sondern sie sollten es auf einem gut ausreichenden materiellen Niveau tun können. Eigentlich müsste dann aber ihre monatliche Rentenzahlung ziemlich nah an ihrem früheren Gehaltsniveau liegen (vor längerer Zeit sprachen viele von ca. 75 Prozent des letzten bzw. durchschnittlichen Nettoverdienstes. Gut, bei mehreren verschiedenen Arbeiten und höheren und niedrigeren Gehältern muss ein Berechnungsmodell schon sein, welches aber dann eben fair rechnet. Die heutigen Berechnungsformeln reichen dafür nicht aus.
Wahrscheinlich muss aber ein völlig anderes Herangehen gewählt werden. Dabei sind in der Diskussion: steuerfinanzierte Rentenmodelle, vor allem aber eine Beitragspflicht für alle ohne eine Beitragsbemessungsgrenze. Dadurch könnten sich Reiche und Superreiche nicht aus der Mitfinanzierung ausklinken, wie es heute möglich ist. Auch die Beamten zahlen keine Beiträge und ihre Pensionen richten sich nur nach dem letzten Verdienst. Sie müssen zwar mehr Steuern auf ihre Pensionen zahlen, aber das nähert sich mit dem Versteuerungsmodell für RentnerInnen mehr und mehr an. Es gibt auch immer weniger Beamte. Dennoch könnte sich hier ebenfalls Vereinfachungsund Solidarisierungspotenzial auftun.
Die Absenkung sowohl des Rentenniveaus auf 43 Prozent als auch der Beiträge (die allerdings später wohl sowieso wieder erhöht werden sollen) sind genau so ein falscher Ansatz wie die Rente mit 67.
Eine Grundrente wie ein Grundeinkommen sind überlegenswerte Ansätze. Nur muss die Höhe stimmen. 900 Euro für eine Grundrente werden schon jetzt nicht genug sein. Vor allem dann nicht, wenn Steuern und Krankenversicherung davon abgehen. Es bleibt ein schwieriges Thema, das mit den jetzt vorliegenden politischen Konzepten nicht gelöst werden kann. Zumal es dabei wohl einmal mehr hauptsächlich darum geht, wieder gewählt zu werden, als um die betroffenen Menschen.

 

 

 

Wer versteht schon die Berechnung seiner Rente?

Dass die Rentenversicherung eine der 4 Sozialversicherungen ist und dafür monatlich ein Beitragssatz vom Gehalt abgezogen wird, wissen und erfahren die meisten. Der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung beträgt ab dem 1. Januar 2012 19,6 Prozent. Vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2011 lag er bei 19,9 Prozent. Ab 01. 01. 2013 wird der Rentenversicherungsbeitrag um 0,7 Prozentpunkte auf 18,9 % gesenkt. Er wird zur Hälfte von den Beschäftigten und zur Hälfte von den UnternehmerInnen getragen.
Die Rentenhöhe ist vor allem an die im Laufe des Lebens einbezahlten Beiträge gebunden. Dafür erhält der Beitragszahler Entgeltpunkte gutgeschrieben. Kindererziehungszeiten werden wie Pflichtbeitragszeiten eines Durchschnittsverdieners bewertet. Für jedes vor dem 1. Januar 1992 geborene Kind werden zwölf Monate und jedes nach dem 31. Dezember 1991 geborene Kind 36 Monate ab der Geburt als Pflichtbeitragszeit für die erziehende Mutter oder den Vater anerkannt. Für beitragsfreie Zeiten sowie für beitragsgeminderte Zeiten (z. B. nachgewiesene Zeiten einer beruflichen Ausbildung) werden noch Zuschläge gezahlt. Die Höhe dieser Zuschläge wird über die so genannte Gesamtleistungsbewertung errechnet. Die Rente wird nach der Rentenformel berechnet, indem der aktuelle Rentenwert mit den Entgeltpunkten, dem Zugangsfaktor und dem Rentenartfaktor multipliziert wird. Dies ist so in § 64 SGB VI festgeschrieben.
Die Höchstrente, das heißt die höchste denkbar zu erreichende Rente, ergibt sich aus dem gesetzlich festgeschriebenen Maximalwert der jährlich zu erwerbenden Entgeltpunkte und der maximal möglichen Einzahlungsdauer. Derzeit liegt die Höchstrente bei 2200,- Euro brutto. Da jedoch kaum jemand sein Arbeitsleben frühest möglich und gleichzeitig mit dem höchstmöglichen Einzahlungsbetrag beginnt, ist diese Höchstrente als Wert nur von theoretischem Interesse. Relevanter als Orientierung für das allgemeine Rentenniveau ist der so genannte Eckrentner, eine fiktive Person, die 45 Jahre lang aus einem Durchschnittseinkommen Beiträge bezahlt, mit 65 Jahren in Rente geht bzw. gegangen ist und somit Anspruch auf den Erhalt einer Eckrente erworben hat. Nicht verwechselt werden darf die Eckrente mit der Durchschnittsrente, welche von der Eckrente abweichen kann und abweicht.
Im Durchschnitt bekommen Männer in den alten Bundesländern derzeit eine gesetzliche Altersrente von 985 €, in den neuen Bundesländern sind es 1060 €. Frauen in Westdeutschland bekommen derzeit im Durchschnitt eine Altersrente von 490 €, in Ostdeutschland sind es 705 €. Das Modell klingt nicht nur umständlich. Es ist so. Dazu kommen allerdings willkürliche Beschränkungen mehrerer Faktoren.

• Das Rentenalter wurde 2006 von 65 Jahren auf 67 heraufgesetzt.

• Seit 2005 werden die Renten in zunehmendem Maße besteuert. Das wird sich wohl nicht so dramatisch auswirken, da auch die Freibeträge angehoben werden und die meisten RentnerInnen keine hohen Renten haben. Allerdings werden Zuverdienste mit einbezogen.

• Die Rentenhöhe wird per Gesetz abgesenkt. Aufgrund verschiedener Reformen, insbesondere im Jahr 2001 das Altersvermögensergänzungsgesetz und im Jahr 2004 das RV-Nachhaltigkeitsgesetz, wird das Leistungsniveau der Gesetzlichen Rentenversicherung bis 2030 um rund 20 Prozent sinken. Das Mindestsicherungsniveau für das Rentenniveau Netto vor Steuern liegt bis zum Jahr 2020 bei 46 Prozent und bis zum Jahr 2030 bei 43 Prozent.