Zurzeit laufen viele Menschen Sturm gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP, welches die Europäische Kommission –auch im Auftrag der Bundesregierung– mit den USA aushandelt. Zurecht?

Wir stellen im Folgenden kurz und knapp vor, was aus Sicht der Befürworter die Freihandelsabkommen leisten sollen und was aus Sicht der KritikerInnen an diesen Abkommen gefährlich ist.

Zudem ist eine interessante ARD-Dokumentation zum Thema verlinkt...

TTIP, TISA, CETA & Co - aus Sicht der Befürworter:

Die Europäische Kommission und die USA verhandeln seit 2013 -unter Ausschluss der Öffentlichkeit- über eine sogenannte Transatlantische Handels und Investitionspartnerschaft TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Gleichzeitig und ebenfalls geheim verhandeln seit mehreren Jahren 23 Parteien (u.a. die EU und die USA) ein Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen TISA (Trade in Services Agreement). Während über diese beiden Vertragstexte noch verhandelt wird, ist ein dritter Vertrag schon unterschriftsreif: das „Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen“ CETA zwischen Kanada und der Europäischen Union (Comprehensive Economic and Trade Agreement). CETA dient als „Blaupause“ für TTIP und TISA.

 

Erklärtes Ziel all dieser Freihandelsabkommen ist es, sogenannte Handelshemmnisse abzubauen, was wiederum aus Sicht der Befürworter mehr Wachstum und zusätzliche Arbeitsplätze bringen soll. Die Befürworter behaupten, der verstärkte internationale Wettbewerb führe dazu, dass Unternehmen innovativer und produktiver arbeiten und so mehr Waren und Dienstleistungen in besserer Qualität herstellen würden.

Da es jedoch kaum noch Zölle zwischen den EU, Kanada und den USA gibt, geht es in den aktuellen Verhandlungen in allererster Linie um das Senken sogenannter nicht-zoll-artiger, oder „nicht-tarifärer“ Handelshemmnisse…. d.h. u.a. um Umwelt- und Verbraucherschutzstandards, Datenschutz und ArbeitnehmerInnenrechte, die Kennzeichnungspflicht für Gen-Essen oder Fördermaßnahmen für Kultur, Bildung und Gesundheit.

Kritik an diesen Freihandelsabkommen:

 

1. Grundsätzliche Kritik am Freihandel

Zum einen wird die segensreiche Wirkung des Freihandels grundsätzlich in Frage gestellt. Denn erstens können selbst die interessengeleiteten Auftragsstudien der Freihandels-Befürworter nicht wirklich einen zu erwartenden Wirtschaftswachstum nachweisen.[1] Und zweitens argumentieren die KritikerInnen, dass der überall vorangetriebene Freihandel in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich zum Abbau von sozialen Sicherungssystemen, Arbeitnehmerrechten und Umweltschutzstandards geführt habe.

Denn entgegen der Hoffnung der Freihandelsbefürworter, dass eine Verschärfung der internationalen Konkurrenz vor allem zu Innovation führe, weisen KritikerInnen darauf hin, dass nach aller Erfahrung der größere Konkurrenzdruck dazu führe, dass Unternehmen Lohn-, „Lohnnebenkosten“ sowie Steuersenkungen erzwingen und Arbeitsverhältnisse „flexibilisieren“ würden. Diese Billig-Strategien führten in Folge zu immer größerer sozialer Ungleichheit, Verelendung, wirtschaftlicher Stagnation und Krise.

 

Auch Erklärungen von Befürwortern des Freihandels wie Wirtschaftsminister Gabriel (SPD): „Man werde Standards durch diese Abkommen nicht senken“ beruhigen die KritikerInnen nicht. Denn es wird nicht erklärt, wie verhindert werden soll, dass Staaten und Unternehmen in der verschärften Konkurrenz Billig-Strategien fahren. Auch der Verweis, man werde „Mindeststandards“ sichern ist aus dieser Sicht unzureichend, da Mindeststandards nicht im Geringsten helfen höhere Löhne, Sozialleistungen, Umweltstandards etc. zu schützen. D.h. Unternehmen und Beschäftigte aus Ländern mit höheren (und damit teureren) Standards werden trotz vereinbarter „Mindeststandards“ im internationalen Wettbewerbskrieg ins Hintertreffen geraten.

 

2. Kritik am „Investorenschutz“

Neben der grundsätzlichen Kritik am Freihandel werden an den geplanten Abkommen die konkreten Klauseln zum sogenannten Investorenschutz kritisiert. Durch diese Klauseln sollen Investoren „geschützt“ werden vor Auswirkungen z.B. von Gesetzen einer Kommune, eines Bundeslandes oder des Bundestages, welche Gewinnaussichten schmälern. Ein Beispiel für solch einen „Investorenschutz“ ist die Klausel auf den sich derzeit der Vattenfall-Konzern beruft, um Deutschland auf 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz für den Atomausstieg zu verklagen. Durch solche Klauseln wird es aus Sicht der KritikerInnen de facto erschwert, z.B. den Mindestlohn zu erhöhen, Umweltschutzklauseln durchzusetzen etc.

 

3. Kritik an den „Schiedsgerichten“

Als ob diese Klauseln zum Investorenschutz noch nicht ausreichten, um die Gewinnaussichten der privaten Investoren zu sichern, sind in den geplanten Abkommen zudem auch noch private Schiedsgerichte geplant, vor denen Staaten dann von Konzernen verklagt werden können. Normale „bürgerliche“ Gerichte scheinen den Konzernen also nicht mehr ausreichend genug, um ihre Interessen durchzusetzen. Stattdessen sollen in überwiegend geheimen Schiedsverfahren und ohne Berufungsmöglichkeit konzernnahe Anwaltsfirmen zugleich Richter, Kläger und Verteidiger stellen und für „Investorenschutz“ sorgen…

 

4. Kritik an „Negativ-Listen“

Auch das Nutzen von sogenannten „Negativ-Listen“ in den geplanten Abkommen ist aus Sicht der KritikerInnen höchst problematisch: Denn auf diesen Listen stehen nur die Branchen bzw. eng gefassten Teil-Branchen, die nicht unter die Abkommen fallen sollen. Im Umkehrschluss sollen alle Branchen, die nicht auf den Negativ-Listen stehen oder die auch evtl. erst in der Zukunft entstehen, unter die Abkommen fallen!

Damit werden regulatorische Möglichkeiten stark eingeschränkt, die evtl. auch erst in der Zukunft entstehen können. KritikerInnen fordern, dass stattdessen -wenn überhaupt- mit „Positiv-Listen“ gearbeitet wird, in denen eng gefasst die Branchen definiert werden, die alleine unter die Abkommen fallen sollen. Sind Deregulierungen und Privatisierungen aber langfristig über völkerrechtliche Verträge erst einmal verankert, geben Staaten ihre Gestaltungsmöglichkeiten freiwillig auf.

 

5. Kritik am Supergremium aus EU, US Bürokraten und Wirtschaftslobbyisten

Aus Sicht der KritikerInnen setzen die geplanten Super-Räte aus EU- und US Bürokraten sowie Wirtschaftslobbyisten den geplanten Abkommen noch die Krone auf: Hier sollen frühzeitig Konzernlobbyisten auf Gesetzgebungsverfahren Einfluss nehmen können, in dem sie überprüfen können, ob geplante Gesetze mit dem „Investorenschutz“ (Gewinnschutz) übereinstimmen.

Wir sagen:

Als BürgerInnen, KonsumentInnen und Gewerkschaftsaktive halten wir diese Freihandelsabkommen für nicht in unserem Interesse. Sie müssen verhindert werden. Und da wir uns offensichtlich nicht auf unsere „Volkvertreter“ verlassen können, müssen wir selbst aktiv werden!

Relativ einfach ist das z.B. möglich, in dem die Europäische Petition von Campact.de unterstützt wird, mit der sich bei Redaktionsschluss schon über 700.000 EuropäerInnen deutlich gegen den „heimlichen Staatsstreich“ der Freihandelsabkommen aussprechen.  


 [1] Selbst die viel publizierte Auftragsstudie der EU-Kommission vom Londoner Institut Centre for Economic Policy Research (CEPR) konnte nur einen mikroskopisch kleinen wirtschaftlichen Nutzen durch das EU-US-Freihandelsabkommen TTIP „nachweisen“, welcher im Bereich der statistischen Fehlerquote liegt: 0,49 % Zuwachs auf zehn Jahre!

Selbst der neoliberale Handelskommissar der letzten EU-Kommission Karel De Gucht reagierte fassungslos auf die mageren Zuwachsraten, die den Befürwortern als Hauptargument dient (Siehe die gute investigative ARD-Dokumentation „Der große Deal - Geheimakte Freihandelsabkommen“ Minute 14:40).